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Ich bin der Erwachsene und du machst was ich sage

„Du machst das, was ich sage!“ Bei welchen Familien war das noch kein Thema? Eltern und Kind/er streiten sich und am Ende hat das Kind die Meinung oder Regel des Erwachsenen anzunehmen.
Es fängt schon bei der Ordnung an:
„Du räumst jetzt dein Zimmer auf!“ Auf einmal, in diesem Moment, stört es den Erwachsenen, dass das Zimmer unaufgeräumt ist und man erwartet sofortige Veränderung!  Warum? Mit welchem Recht entscheiden Eltern, wann das Kind Lust haben soll, aufzuräumen?

Wer hat schon immer Lust sofort aufzuräumen und lässt Dinge einfach nicht mal liegen? Wer entscheidet, welche Ordnung eingehalten werden soll? Wer lebt in diesem Zimmer und sollte bestimmen dürfen?

 

 

Wenn man selbst ein sehr ordentlicher Mensch bist, darf das Kind sich ruhig entscheiden anders zu leben.  

Was wäre, wenn man mit seinem Partner zusammen zieht und man dort unterschiedliche Ordnungssysteme bevorzugt? Richtig, man findet Kompromisse, versucht sich zu einigen, damit das Zusammenleben funktioniert, im schlimmsten Fall trennt man sich wieder. Von seinem Kind trennt man sich gewöhnlich nicht so leicht, darf es dennoch nicht anders leben?

 

Man kann seinem Kind vorleben wie man ordentlich lebt. Man kann es unterstützen eine Ordnung zu finden, man kann es bitten, bis Stunde oder Tag X aufgeräumt zu haben, aber man hat nicht das Recht, nur weil man erwachsen bist, vorzugeben, wie das Kind zu leben hat.


Woher kommt dieser Satz „ich bin erwachsen und du hast das zu machen, was ich sage?“ Kennst du ihn aus deiner Kindheit? Wie hat sich für dich dieser Satz als Kind angefühlt? Fandest du ihn ungerecht? Hattest du das Gefühl nicht du sein zu dürfen?
Mit welchem Recht dürfen wir als Erwachsene über Kinder bestimmen? Sind sie nicht individuelle Wesen, die sich frei entfalten dürfen, so wie es sich für sie richtig anfühlt?


Ich rede nicht davon ein Leben ohne Regeln anzustreben. Jeder Mensch braucht Regeln. Aber wie in einer guten Beziehung, werden Regeln gemeinsam festgelegt und sich daran gehalten. Nehmen wir als Beispiel die Regel, es soll nur im Kinderzimmer gespielt und gebastelt werden. Du bist inkonsequent und lässt dein/e Kind/er doch im Wohnzimmer spielen. Auf einmal bekommst du es im Kopf, willst aufräumen und willst das die Kinder jetzt in ihrem Zimmer weiter basteln, obwohl sie noch mitten drin sind. Was passiert? Stress. Die Kinder motzen, weil sie noch gar nicht fertig sind und wollen noch zu Ende basteln. Es eskaliert, denn du bist die/der Erwachsene, du hast das sagen! Doch was erkennst du in diesem Moment nicht? Das du a) als erstes inkonsequent warst und die Regel „es wird nur im Zimmer gespielt/gebastelt“ durchbrochen hast, b) dass nur deine Bedürfnisse im Vordergrund stehen, ergo werden auch deine Kinder irgendwann nur noch rebellieren, weil sie ihre Bedürfnisse durchsetzen wollen, weil du es ihnen so vorgelebt hast, c) lernen sie, dass sie es nicht wert sind, dass man auf ihre Bedürfnisse hört und d) hast du vielleicht sogar geschrien um sie aus dem Wohnzimmer raus zu bekommen. Aus dieser Situation lernen die Kinder, dass man Konflikte offensichtlich nur mit Schreien lösen kann und dass (vorerst) keine Konsequenzen erfolgen, wenn sie sich ohne deines Wissens im Wohnzimmer breit gemacht haben. Hier wäre zum Beispiel mein Ansatz, wenn die Regel wirklich eindeutig formuliert wurde und allen auch bekannt ist, dass eine Konsequenz folgen muss, wenn sich nicht daran gehalten wurde, wie z.B. dass  das Spiel oder die Bastelei abgebrochen und abgenommen wird.  Bist du nicht konsequent, lernen sie daraus nur wieder, dass man man mit dir alles machen kann und tanzen dir damit auch wieder nur auf dem Kopf herum. 


Lebe deinen Kindern vor, wie du gerne behandelt werden möchtest, denn deine Kinder sind oft ein Spiegel von dir. Bist du als Erwachsener wirklich so wie du sein möchtest?

Wenn dir der Spiegel nicht gefällt, dann frage dich warum. Woher kommen diese Eigenarten deines Kindes, die dir selbst so gar nicht gefallen?

Oft spiegeln deine Kinder deine Eigenschaften wieder, die dir selbst gar nicht bewusst sind.

 

 

Viele Eltern haben leider diesen tiefen Glaubenssatz „Ich bin Erwachsen und habe dadurch das sagen!“ Meine Mutter hat mir immer gesagt: „Du hast deine Mutter mit Respekt zu behandeln!“ Schon als Kind habe ich mich immer gefragt, warum soll ich sie mit Respekt behandeln, wenn sie mich respektlos behandelt?! Womit nehmen Eltern sich das Recht heraus, über Kinder zu bestimmen? Warum erwarten sie etwas, was sie selbst nicht vorleben? Wie sollen Kinder anders werden, was Eltern sich so oft wünschen, wenn sie doch genauso sind!?
Leider merke ich in meinen Coaching immer wieder, dass dieser Satz sehr verankert ist und Erwachsene sich regelrecht dagegen wehren, ihr Kind auf Augenhöhe zu behandeln. Dabei muss man immer unterscheiden: Einmal die Bedürfnisse des Kindes und Regeln. Natürlich darf man als Eltern auch über den Kopf des Kindes entscheiden, dass es z.B reinkommen soll, wenn es dunkel ist, sie altersgerechte Filme gucken sollen oder sie sich gesund ernähren sollen. Aber man darf es dem Kind auch gerne erklären und sie wie Individuen behandeln.
Wenn du gelernt hast, dass Spinat gesund ist, würdest du von deinem Partner verlangen, dass er Spinat isst? Warum dann von deinem Kind? Schaffe Kompromisse, wie: es darf eine Sache auf dem Teller nicht aufessen (wie den Spinat, aber dafür die Kartoffeln, Fischstäbchen oder Eier) oder notfalls isst es halt eine Scheibe Brot und bekommt halt mal nichts warmes zu essen. Wenn du beigebracht bekommen hast, dass man jeden Tag etwas warmes essen muss, schmeiß das Brot in den Toaster, dann ist es auch warm :) Erklär deinem Kind, warum es manche Dinge nicht darf. Deinem Partner würdest du ja auch erklären, warum du z.B nicht gerne Horrorfilme mit ihm gucken möchtest. Warum soll dein Kind nicht verstehen dürfen, warum du nicht möchtest, dass es gewisse Dinge NOCH nicht darf? Leider werden oft Verbote (im Dunkeln draußen zu sein, oder Filme ab Alter X zu verbieten) verwechselt mit Bedürfnissen, die jeder Mensch zur seiner freien Entfaltung braucht! Kinder dürfen auch mal kein Lust haben, etwas nicht wollen/mögen, müde, nicht müde sein, schlechte Laune haben uvm. So wie du als Erwachsener auch immer wieder mal anders empfindest!
Klar, darfst du deinem Kind sagen, dass es um Uhrzeit x ins Bett zu gehen hat, aber du wirst es nicht zum Einschlafen zwingen können. Es soll ruhig ein Buch lesen dürfen oder sich ein Hörspiel anhören, in der Hoffnung, dass die Müdigkeit kommt... aber mit „Licht aus und du hast jetzt zu schlafen!“ kannst du nichts erreichen. Bist du jeden Tag gleich müde?
Anderes Beispiel: Draußen ist es kalt, du frierst, dein Kind aber nicht! Warum diese Diskussionen: „ziehe eine Jacke an, weil ich es sage“?! Finde einen Kompromiss: „nimm die Jacke mit und wenn dir kalt wird, ziehe sie an“ Haben wir nicht alle ein unterschiedliches Wärmeempfinden? Wenn ihnen später kalt wird und sie froh sind eine warme Jacke dabei zu haben, werden sie eher denken: „oh da hat Mama oder Papa recht behalten“, als wenn sie die ganze Zeit in ihrer Jacke schwitzen müssen und nur sauer auf dich sind. Kindern lernen durch positive Erfahrungen, weil sie es in dem Moment selbst für sinnvoll erachten, nicht durch Zwang.
Du hast das Gefühl ständig im Kampf mit deinem Kind zu sein? Warum? Kämpft ihr vielleicht um das Gleiche? Hat dein Kind von dir gelernt, seinen Willen durchzusetzen? Hörst du deinem Kind zu oder ist es deswegen vielleicht so laut um sich Gehör zu verschaffen? Lügt dein Kind, weil Du vielleicht selbst zu dir nicht ehrlich bist? Ist dein Kind Grenzüberschreitend, weil du seine Grenzen nicht respektierst oder nicht konsequent bist? Ist dein Kind rebellisch, weil du keine andere Meinung zulässt? Setzt dein Kind sich nicht an erster Stelle, weil du es auch nicht tust? Schreit dein Kind, weil du es auch so vorlebst? Ist dein Kind unruhig, weil du es auch bist und sei es auch nur innerlich? Kann dein Kind keine Gefühle zulassen, weil du selbst schlecht Gefühle zeigen kannst? Haut dein Kind vor Gesprächen ab, weil du umgekehrt auch nicht zuhörst, wenn es mal mit dir reden will?
Macht dein Kind Dinge, wie viel am Tablet, PC oder Handy zu sein, weil du auch oft davor sitzt? Schenkst du deinem Kind volle, echte Aufmerksamkeit? „Jetzt hör mir zu“- hörst du immer aufmerksam zu? Wenn es weint, jähzornig  oder traurig ist, darf es dann die Gefühle ausleben oder empfindest du die Emotionen in dem Moment als für unangebracht?  Wenn du meinst, dass muss so sein, warum muss es für dein Kind indem Moment auch so sein? Lebst du deine Emotionen vor dem Kind aus und erklärst ihm, woher diese Emotionen kommen oder tut du immer so, als ob alles gut wäre und wunderst dich dann, dass dein Kind keine richtige Wahrnehmung hat? Schenkst du Geschwisterkindern die gleiche Aufmerksamkeit, oder wird eins bevorzugt und du wunderst dich dann, dass eins rebelliert?
Was meinst du, wie konnte dein Kind so werden wie es ist?
Man kann das Kind auch kleine Erwachsene nennen. Die Bezeichnung Kind oder Jugendliche ist am Ende nur entscheidend, welchen Eintritt sie bezahlen müssen oder ob sie Geschäftsfähig sind.

Kinder brauchen das gleiche wie Erwachsene: Vertrauen, Ehrlichkeit, Liebe und die Akzeptanz, dass es genauso gut ist, wie es ist!
Wenn du einen neuen Menschen kennenlernst, versuchst du ihn zu ändern? Wenn ja, ist das ein weiteres Thema, woran man arbeiten sollte. Wenn nein, warum willst du dein Kind ändern? Deine Kinder spiegeln dich, wie all die anderen Menschen in deinem Leben. Wenn du dich änderst, werden sich auch dein/e Kind/er ändern.

Behandle sie so, wie du gerne behandelt werden möchtest! Dabei ist es völlig egal, wer Erwachsen ist.

Manchmal können wir Erwachsene von kleinen Kindern viel mehr lernen, weil sie noch instinktiv und mit Herz handeln und nicht wie wir Erwachsene es beigebracht/eingeredet  bekommen haben.

 

 

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